Über den Autor

12080289_487971231384182_490400183840086227_o_0Frieder Otto Wolf gehört der Generation an, die noch von der Nacht des 20. Jahrhunderts geprägt ist, ohne an ihr mitgewirkt zu haben: Geboren im bombardierten Kiel am Vorabend der Kapitulation des 2. Kessels von Stalingrad wächst er in einer Halbruine zwischen Trümmerbergen auf, muss sich auf der Volksschule durchprügeln und dann auf einem reaktionären Gymnasium der regionalen Elite intellektuell und sozial behaupten. Geprägt von dem geistig-literarischen Umfeld der Buchhandlung seiner Eltern, besonders der „Gruppe 47“, beginnt er ein Studium der Literaturwissenschaft, wechselt aber rasch in die Philosophie, mit Politikwissenschaft und Anglistik als Nebenfächern. Wichtige Impulse erhält er bei Studienaufenthalten in Paris (wo ihn Lucien Goldmann in Lukács und Paul Ricoeur in eine nicht-konservative Lektüre der hermeneutischen Tradition einführt) und in Edinburgh (wo ihn vor allem Gilbert Ryle beeindruckt und wo er Zugang zur späten analytischen Philosophie sowie zur postanalytischen Philosophie findet).

Unter dem Eindruck der Studentenbewegung wechselt Wolf aus einer traditionell philosophische Karriere in den Kontext des Projektes einer Neubestimmung des Verhältnisses von Philosophie und Sozialwissenschaften über, am diesen programmatischen Namen tragenden Fachbereich der Freien Universität Berlin, spezifisch am Psychologischen Institut. Das dort von ihm entwickelte Projekt einer historischen Epistemologie der Sozialwissenschaften, insbesondere ihrer disziplinären Arbeitsteilung,  konnte er nicht als solches weiterverfolgen. Nach der portugiesischen Nelkenrevolution im April 1974 nimmt er – als Hochschullehrer in Coimbra 1976 und 1977 – die Gelegenheit wahr,  an der Aufarbeitung des Scheiterns des revolutionären Prozesses mitzuarbeiten, und gerät zugleich über die in dieser Debatte aufgeworfenen Fragen in einen intensiven Austausch mit Louis Althusser, den er mehrfach in Paris besucht.

Nach einer Phase der Mitarbeit an Projekten im Feld der Arbeitspolitik (mit dem WZB in Berlin, insbesondere in Kooperation mit Sabine Gensior und Frieder Naschold, aber auch mit der Sozialforschungsstelle in Dortmund unter Gerd Peter) wechselt Wolf, vermittelt durch seine Mitarbeit in der Redaktion der PROKLA, an der Initiierung und Durchführung der Sozialistischen Konferenzen (1980-81), sowie an der Gründung der ‚Modernen Zeiten‘ (1981),  in die Parteipolitik über: 1984-1999 ist er professionell im Rahmen grünalternativer Europapolitik tätig, von 1994-99 als MdEP.

Nachdem Wolf schon in den 1980er Jahren an einer epistemologischen und praxeologischen Positionsbestimmung gearbeitet hatte (z.T. 1983 publiziert im Sammelband „Umwege“ [Hannover: SOAK], 2008 wieder aufgenommen in einer Online-Publikation als „Umwege²“), nimmt er nach 1999 seine Lehrtätigkeit in der Philosophie, die er niemals aufgegeben hatte, im vollem Umfang wieder auf und arbeitet das Projekt der radikalen Philosophie aus (2002), das er mit jüngeren KollegInnen nach unterschiedlichen Richtungen weiter ausführt (2003 u. 2006) und inzwischen auch selber rückblickend weitergeführt hat (2012). Eine zum 65. Geburtstag herausgegebene Festschrift (2008) gibt Einblick in Positionen und Kontexte einer zeitgenössischen philosophischen Radikalität.

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